KURZÜBERSICHT
Was schnelle Heilung fördert
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Saubere Wunde, feuchtes Milieu, Druckentlastung
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Ausreichend Energie, 1,2–1,5 g Eiweiß/kg KG, Vit. C, Zink, Vit. D
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Darmfreundliche Kost mit Ballaststoffen
Was Heilung bremst
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Infektionen, Unter- oder Mangelernährung
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Durchblutungsstörungen, dauerhaft hoher Druck
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Unregelmäßige Verbandswechsel
Ihre Rolle als Pflegekraft
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Frühzeichen erkennen, dokumentieren, eskalieren
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Essen/Trinken fördern, kleine Eiweißportionen einbauen
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Mobilisation und Lagerungspläne konsequent umsetzen
Wundversorgung – So heilen Wunden schneller: Ernährung und Pflege im Zusammenspiel

Schlecht heilende Wunden gehören zum belastendsten Teil des Pflegealltags – im Krankenhaus, im Pflegeheim und in der häuslichen Betreuung. Schmerzen, Geruch, wiederholte Verbandswechsel und lange Liegezeiten zehren an den Kräften von Patient:innen und Team. Gleichzeitig liegt hier eine große Chance: Wer Wunden ganzheitlich denkt, verknüpft Wundversorgung Ernährung und Pflege. Neben der lokalen Therapie (Reinigung, passende Auflage, Druckentlastung) beschleunigen eine bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr, ein stabiles Darmmikrobiom und klare Abläufe die Heilung messbar. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Grundlagen zusammen, zeigt praxiserprobte Schritte für Pflegekräfte und liefert Orientierung, wann ärztliche Abklärung nötig ist. Er ersetzt keine Diagnose, schafft aber Sicherheit im Alltag.
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Wundheilung ist Pflegealltag
Schlecht heilende Wunden betreffen schätzungsweise einen relevanten Anteil der Bevölkerung in Europa und binden erhebliche Ressourcen. Für Pflegekräfte bedeutet das viel praktische Arbeit (Verbandswechsel, Lagerung, Hygiene), aber auch emotionale Begleitung. Ihre kontinuierliche Nähe zu den Betroffenen macht Sie zur Schlüsselperson: Sie sehen Veränderungen zuerst, motivieren bei der Selbstpflege und können – über die Versorgung hinaus – mit Ernährung, Trinken und Mobilisation den Heilungsverlauf spürbar beeinflussen.
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Grundlagen der Wundheilung
Phasen der Heilung
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Reinigungsphase (Inflammation, ca. Tag 1–4): Abbau von Gewebetrümmern, Abwehr von Keimen, Exsudatbildung.
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Granulationsphase (Proliferation, ca. Tag 4–21): Einwachsen von Kapillaren, Bildung von Granulationsgewebe, Wunde schrumpft.
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Epithelisierungsphase (Remodelling, Wochen bis Monate): Epithel überzieht den Wundgrund, Kollagen reift, Narbe stabilisiert sich.
Typische Störfaktoren
Diabetes und Durchblutungsstörungen, anhaltender Druck (Dekubitus), Infektionen, Unter- oder Mangelernährung, Nikotin, unpassende Wundauflagen oder zu seltene Verbandswechsel. Auch Schmerz hemmt: Wer Schmerzen hat, bewegt sich weniger, isst und trinkt schlechter – ein klassischer Negativkreislauf.
Herausforderungen im Pflegealltag
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Druckgeschwüre (Dekubitus): Lagerungsintervalle, Druckentlastung, feuchte Wundbehandlung und ausreichende Zufuhr von Energie/Eiweiß.
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Operationswunden: Beobachtung in den ersten Tagen, frühe Mobilisation, Schutz vor Zug/Spannung.
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Diabetische Fußwunden: Strikte Druckentlastung, Blutzucker-Management, Infektionskontrolle – und konsequente Alltagsunterstützung bei Essen/Trinken.
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Ernährung als Schlüssel zur Heilung
Warum Ernährung entscheidend ist
Heilung ist Hochleistung. Der Körper braucht mehr Energie, hochwertiges Eiweiß und Mikronährstoffe. Praxistaugliche Richtwerte:
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Energie: individueller Bedarf, oft +10–30 % bei größeren Wunden.
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Eiweiß: 1,2–1,5 g/kg Körpergewicht (bei stark exsudierenden Wunden oder ausgeprägter Kachexie ggf. mehr – ärztlich abklären).
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Mikronährstoffe:
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Vitamin C für Kollagensynthese und antioxidativen Schutz,
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Zink für Zellteilung und Immunsystem,
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Vitamin D für Immunmodulation und Muskelfunktion.
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Merksatz für die Praxis: Eiweiß ist das Pflaster von innen. Ohne Aminosäuren kann kein stabiles Granulationsgewebe entstehen.
Folgen von Mangelernährung
Anhaltend geringe Energie- und Eiweißzufuhr führt zu Muskelabbau, Müdigkeit und dünnerer Haut. In der Wunde zeigt sich das durch wässriges Exsudat, fragile Granulation und ausbleibende Epithelisierung. Pflege kann hier ansetzen: Essprotokolle, kleine eiweißreiche Zwischenmahlzeiten (Joghurt, Hüttenkäse, Eierspeise, Hülsenfrüchte), Trinkpläne und frühzeitige Einbindung der Ernährungsberatung.
Darmgesundheit und Wundheilung
Das Darmmikrobiom beeinflusst Immunsystem, Entzündungsneigung und Nährstoffaufnahme. Ballaststoffe aus Gemüse, Vollkorn, Hülsenfrüchten und Nüssen füttern „gute“ Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren bilden – diese wirken entzündungshemmend, unterstützen die Darmbarriere und damit die Heilung. Bei Antibiotikatherapien lohnt der Blick auf Verdauung und Kostverträglichkeit; bei Bedarf Rücksprache mit Ärzt:innen zur ergänzenden Strategie.
Praktische Ernährungstipps, die funktionieren
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Drei Hauptmahlzeiten plus 1–2 eiweißreiche Snacks (z. B. Quark mit Beeren, Linsensuppe, Käsebrot auf Vollkorn).
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Zu jeder Mahlzeit eine Eiweißkomponente und eine Gemüseportion.
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Trinken sichtbar machen: Karaffe am Bett, Markierungen am Becher, Trinkprotokoll; Ziel häufig 1,5–2 l/Tag, individuell anpassen.
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Bei Kau-/Schluckproblemen: weiche Konsistenzen, pürierte Gemüse-Eiweiß-Suppen, angedickte Getränke – Logopädie einbeziehen.
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Pflegepraxis: Von Theorie zu Alltag
Dekubitus im Pflegeheim
Ein bettlägeriger Bewohner entwickelt ein Druckgeschwür an der Sakralregion. Neben Lagerung im 2-Stunden-Rhythmus, druckentlastender Auflage und feuchtem Wundmilieu wird die Wundversorgung Ernährung konkret: Ergänzen Sie pro Mahlzeit eine Eiweißquelle (z. B. Ei, Quark, Fisch), reichen Sie ballaststoffreiche Beilagen und vereinbaren Sie Trinkzeiten. Dokumentieren Sie Exsudatmenge, Wundgröße und Nahrungsaufnahme – kleine Trends zeigen, ob Sie auf Kurs sind.
Postoperative Wundheilung
Nach Bauchoperation ist die Naht gerötet, Heilung stockt. Labor: niedriges Serumalbumin. Pflege initiiert Ess- und Trinkprotokoll, informiert den ärztlichen Dienst (SBAR-Struktur), regt Unterstützung durch Ernährungsberatung an und achtet darauf, dass die Naht nicht unter Spannung gerät (An- und Aufsetzen über Seitenlagerung, Bauchgurt nach Anordnung).
Diabetischer Fuß
Ein Patient mit neuropathischer Plantarwunde erhält eine Entlastungsorthese. Pflege achtet auf konsequente Nutzung, trockene Hautpflege ohne Reibung, tägliche Inspektion, klare Zeichen für Alarm (Rötungsausbreitung, Geruch, Fieber). Parallel: Blutzuckertagebuch und Koststruktur mit regelmäßigen eiweißreichen, ballaststoffreichen Mahlzeiten.
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Werkzeuge für Pflegekräfte
Tipps für den Alltag
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Ernährung dokumentieren: einfache Strichliste pro Portion oder digital; Lücken sofort adressieren.
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Flüssigkeit sicherstellen: Standard-500-ml-Ziele über den Tag, Erinnerungen beim Verbandswechsel.
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Mobilisation fördern: jede Lageänderung zählt; Durchblutung verbessert Heilung.
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Interprofessionell arbeiten: Ernährungsberatung, Physio/Logo, Podologie, Wundexpert:innen einbeziehen.
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Einfach erklären: „Eiweiß hilft der Wunde beim Bauen. Trinken spült und bringt Nährstoffe hin.“
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Screening nutzen: z. B. MNA-Kurzform oder einfache Gewichts-/Appetit-Checks einmal pro Woche.
Checkliste für die Pflegepraxis
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Energiezufuhr ausreichend?
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Genug Eiweiß täglich (1,2–1,5 g/kg KG)?
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Vitamin C, Zink, Vitamin D bedacht?
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Ballaststoffe in jeder Tageshälfte vorhanden?
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Zeichen der Mangelernährung (Gewichtsverlust, Muskelschwund, Müdigkeit) dokumentiert und gemeldet?
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Wundmilieu feucht, Verband passend, Wechselintervall eingehalten?
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Schmerzmanagement aktiv (vor dem Verbandwechsel) – Essen/Trinken wird sonst schnell vernachlässigt.
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Wundinfektion rechtzeitig erkennen
Typische Warnsignale: zunehmende Rötung, Schwellung, Wärme, Schmerzen, übel riechendes Exsudat, Fieber, Schüttelfrost. Bei Verschlechterung binnen 24–48 Stunden ärztlich abklären. In der Pflegepraxis bewährt: klare Eskalationswege (wer wird wann informiert?) und Fotodokumentation nach Standard, um Veränderungen objektiv zu zeigen.
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Häufige Fragen (FAQ)
Kann Ernährung die Wundheilung beschleunigen?
Ja. Ohne ausreichende Energie und Eiweiß gerät die Granulation ins Stocken. Vitamin C, Zink und Vitamin D sind besonders relevant.
Warum Ballaststoffe?
Sie fördern ein stabiles Mikrobiom, senken Entzündungen und verbessern die Nährstoffverfügbarkeit – alles Faktoren, die Heilung unterstützen.
Soll jede/r Supplemente bekommen?
Nein. Zuerst versuchen wir es mit normaler Kost. Reicht das nicht, Ärzt:innen und Ernährungsberatung einbeziehen und gezielt ergänzen.
Welche Rolle hat die Pflege konkret?
Früh erkennen, strukturiert dokumentieren, motivieren, Essen/Trinken organisieren, Mobilisation begleiten und interprofessionell koordinieren.
Ersetzt dieser Text den Arztbesuch?
Nein. Er bietet Orientierung für den Alltag. Bei Infektionszeichen, starker Verschlechterung oder unklarer Wundsituation immer ärztlich abklären.
Quellen
- O’Connell JB. The economic impact of chronic wounds. Wounds. 2020.
- European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP). Prevention and Treatment of Pressure Ulcers/Injuries. 2019.
- Weimann A, Braga M, Carli F et al. ESPEN guideline: Clinical nutrition in surgery. Clin Nutr. 2017.
- Ouwehand AC. Gut microbiome and skin wound healing. Microorganisms. 2022.