KURZÜBERSICHT
Darm im Blick
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Leaky Gut fördert stille Entzündung und verlangsamt Wundheilung.
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Ernährung, Mikrobiompflege, Hydration und Stressreduktion sind zentrale Hebel.
Praxis kurz & klar
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Eiweiß 1,2–1,5 g/kg, viel Ballaststoff, Vitamin C/Zink/Vitamin D.
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Dokumentieren, mobilisieren, interdisziplinär handeln.
Wundversorgung – So heilen Wunden schneller: Leaky Gut im Blick

Pflegekräfte konzentrieren sich im Alltag auf das Sichtbare: Verbände, Hautpflege, Umlagerung. Und doch heilen manche Wunden trotz sorgfältiger Versorgung nicht. Ein oft übersehener Grund heißt Leaky Gut und Wundheilung: Der „durchlässige Darm“ schwächt die Barriere zwischen Darmlumen und Blutkreislauf. Gelangen unerwünschte Stoffe hindurch, feuern stille Entzündungen den ganzen Körper an – und bremsen die Regeneration von Haut und Gewebe. Dr. Heinz Gyaky zeigte in einem Vortrag (2021), dass genau dieser Mechanismus die Wundheilung erheblich verzögern kann. Für die Praxis bedeutet das: Nicht nur die Wunde behandeln, sondern auch den Darm mitdenken.
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Was ist Leaky Gut?
Der Dünndarm ist mit Tight Junctions versiegelt – mikroskopisch kleinen „Türen“, die nur selektiv öffnen. Sind sie geschädigt, kommt es zu:
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Übertritt von Bakterienfragmenten, Toxinen und unverdauten Nahrungsbestandteilen ins Blut,
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chronisch-niedrigen Entzündungen,
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verlangsamter Reparatur von Haut und Bindegewebe.
„Der Darm ist das Tor zur Wundheilung – wenn er undicht ist, wird jede Heilung schwieriger.“ – Dr. Heinz Gyaky (2021)
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Ursachen von Leaky Gut
Ernährung: Zucker- und Weißmehlspitzen fördern „ungünstige“ Keime; Zusatzstoffe (z. B. Emulgatoren) können die Schleimhaut stressen.
Medikamente: Antibiotika dezimieren die Vielfalt des Mikrobioms; NSAR (z. B. Ibuprofen, Diclofenac) reizen die Schleimhaut.
Stress: Dauerstress erhöht Cortisol → höhere Durchlässigkeit der Darmwand.
Dysbiose: Ballaststoffarme Kost und viel tierisches Fett begünstigen entzündungsfördernde Keime.
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Folgen für den Körper
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Systemische Entzündung: Zytokine hemmen Heilungsschritte.
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Schwächere Infektabwehr und mehr Wundinfektionen.
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Langsamere Granulation, zögerliche Epithelisierung, auffällige Narbenbildung.
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Häufige Begleiter: Diabetes, Adipositas, Autoimmunprozesse.
Studienlage (Auswahl): Camilleri et al. (2019) beschreiben erhöhte Entzündungsneigung bei gesteigerter Darmpermeabilität; Ouwehand (2022) zeigt direkte Wechselwirkungen zwischen Darmmikrobiom und Hautheilung; die ESPEN-Leitlinie (2017) betont die Notwendigkeit gesicherter Nährstoffaufnahme für postoperative Heilung.
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Zusammenhang mit chronischen Wunden
Dekubitus, Ulcus cruris oder diabetische Fußwunden sind oft von systemischer Entzündung begleitet. Ein Leaky Gut verstärkt:
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Infektanfälligkeit,
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mangelhaftes, „schwammiges“ Granulationsgewebe,
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verzögerte Narbenreifung.
Pflegekräfte erleben das täglich: Trotz moderner Auflagen stagniert die Heilung. Die Ursache liegt nicht immer an der Oberfläche – häufig im Darm.
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Ernährung als Schlüssel: Was jetzt wirklich hilft
Energie & Eiweiß: Heilung erhöht den Energiebedarf (bis ~30 %). Eiweißbedarf: 1,2–1,5 g/kg KG (ESPEN).
Mikronährstoffe:
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Vitamin C für Kollagen,
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Zink für Zellteilung,
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Vitamin D für Immunmodulation und Muskelfunktion.
Ballaststoffe & Fermente: Vollkorn, Hülsenfrüchte, Gemüse sowie Joghurt, Kefir, Sauerkraut nähren „gute“ Keime; kurzkettige Fettsäuren (z. B. Butyrat) dichten die Schleimhaut und wirken antientzündlich.
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Mini-Praxisplan (Beispiel)
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Frühstück: Haferporridge mit Naturjoghurt, Beeren, Nüssen.
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Mittag: Linseneintopf mit Gemüse, Vollkornbrot, grüner Salat mit Leinöl.
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Abend: Gedünsteter Fisch/Tofu, Ofengemüse, Hirse oder Quinoa.
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Zwischendurch: Wasser/Kräutertee, Kefir, eine Handvoll Nüsse.
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Ergänzend nach ärztlicher Rücksprache: Vitamin D im Winter, Zink/Vitamin C kurzfristig bei Mehrbedarf.
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Prävention und Therapieansätze bei Leaky Gut
Lebensstil: Regelmäßige Bewegung, Schlafhygiene, einfache Atemübungen zur Stressreduktion.
Medikations-Check: NSAR nur, wenn ärztlich indiziert; bei Antibiotika frühzeitig an Darmaufbau denken.
Pro- & Präbiotika: Ausgewählte Multispezies-Probiotika und lösliche Ballaststoffe können die Diversität erhöhen und die Barrierefunktion unterstützen.
Hydration: 30–35 ml/kg KG/Tag anstreben (sofern keine ärztlichen Gegenanzeigen).
Blutzucker-Stabilität: Bei Diabetes senken gleichmäßige, ballaststoffreiche Mahlzeiten glykämische Spitzen – hilfreich für Gefäße und Wundbett.
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Praxisbeispiele für Pflegekräfte
Dekubitus im Pflegeheim: Umlagerung + feuchte Wundbehandlung plus konsequente Eiweißgabe (Milchprodukte, Hülsenfrüchte) und ballaststoffbetonte Kost verbessern die Granulation sichtbar.
Postoperative Wunde: Bei stagnierender Heilung Albumin/CRP prüfen lassen; Ernährungsteam einbeziehen; eiweißreiche Zwischenmahlzeiten (Skyr, Quark, Bohnenaufstrich).
Diabetischer Fuß: Druckentlastung, Infektkontrolle, Blutzuckeroptimierung und gezielte Zink-/Vitamin-C-Zufuhr – kombiniert mit darmfreundlicher Kost – fördern die Epithelisierung.
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Assessment: So erkennen Sie „unsichtbare“ Barrieren
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Verdauungsbeschwerden (Blähungen, wechselnder Stuhl, Unverträglichkeiten), Hautprobleme, erhöhte Infektneigung.
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Ernährungsprotokoll (3–7 Tage): Eiweiß-, Ballaststoff-, Flüssigkeitsmengen.
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Beobachten: Wundexsudat, Randmazeration, Geruch, Granulationsqualität.
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Interdisziplinär handeln: Ärztin/Arzt, Ernährungsberatung, ggf. Diabetologie/Wundambulanz.
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Tipps für Pflegekräfte im Alltag
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Ernährung und Trinkmenge dokumentieren.
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Mobilisation fördern (auch im Bett/Stand).
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Patient:innen niedrigschwellig aufklären: „Eiweiß ist das Pflaster von innen.“
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Familien/Angehörige einbinden: Einkauf, Snack-Plan, Trinkrituale.
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Checkliste für die Pflegepraxis
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Ausreichende Energiezufuhr gesichert?
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Tägliche Eiweißmenge erreicht?
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Vitamin C, Zink, Vitamin D bedacht?
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Ballaststoffe und fermentierte Speisen eingeplant?
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Hinweise auf Dysbiose/Leaky Gut dokumentiert und weitergegeben?
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FAQ für Pflegekräfte
1. Was ist Leaky Gut?
Ein durchlässiger Darm: Stoffe gelangen ins Blut, fördern Entzündung und bremsen Heilung.
2. Hauptursachen?
Ungünstige Ernährung, Antibiotika/NSAR, Stress, Dysbiose.
3. Einfluss auf Wunden?
Systemische Entzündung schwächt Granulation/Epithelisierung – Wunden bleiben länger offen.
4. Wie kann Pflege Leaky Gut erkennen?
Indirekt über Symptome, Ernährungsprotokolle, stagnierende Heilungsverläufe und interdisziplinäre Rücksprache.
5. Rolle von Pro/Präbiotika und Ballaststoffen?
Sie unterstützen das Mikrobiom und die Schleimhautbarriere – als Ergänzung zur ärztlichen Therapie.
Quellen
- Camilleri M. Leaky gut: mechanisms, measurement and clinical implications in humans. Gut. 2019.
- Ouwehand AC. Gut microbiome and skin wound healing. Microorganisms. 2022.
- Weimann A, Braga M, Carli F et al. ESPEN guideline: Clinical nutrition in surgery. Clin Nutr. 2017.
- Vortrag Dr. Heinz Gyaky: „Ernährung, Darm und Wundheilung“ (2021).